Lucas Deryckere
ist Reiter und Ausbilder mit dem Schwerpunkt Springen, wobei die dressurmäßige Ausbildung in der alltäglichen Arbeit eine große Rolle spielt. Der Träger des goldenen Reitabzeichens ist erfolgreich im Turniersport unterwegs und konnte unter anderem bereits das Bundeschampionat der 6-jährigen Springpferde gewinnen und sich auf den Weltmeisterschaften der jungen Springpferde unter den Top 10 platzieren. Als Pferdewirtschaftsmeister legt er besonders viel Wert auf die Berücksichtigung der individuellen Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Pferdetypen. Zwischen Pferd und Reiter kommt es seiner Meinung nach auf die passende Chemie an.
Beurteilung junger Pferde:
Sehe ich ein junges Pferd zum ersten Mal achte ich zunächst auf den Typ. Ich bevorzuge einen modernen und leichten Typ Pferd, der über ein korrektes Gebäude verfügt und gerade auf den Beinen steht. Dabei können Mängel sofort festgestellt werden. Danach schaue ich mir die Bewegung an und stelle mir die Frage: Sind die Grundgangarten gut genug? Verfügt das Pferd über eine natürliche Balance? Wie sind der Sprungablauf und das Vermögen? Bietet das Pferd von sich aus eine gute Technik an und ist der entscheidende Wille den Sprung fehlerfrei zu überwinden da? Zuletzt ist der Charakter eines Pferdes relevant für seine potentielle Eignung. Ein besseres Pferd hat ein klares Auge, ist aufmerksam, ohne ängstlich zu sein und wach, ohne dabei nervös zu wirken.
Beurteilung ausgebildeter Pferde:
Bei der Beurteilung eines ausgebildeten Pferdes bleiben die Kriterien des jungen Pferdes bestehen. Bei älteren Pferden sollte man sich jedoch die Frage stellen, ob sie für den Amateurbereich oder eher für den Profisport geeignet sind.
Ein gutes Amateurpferd kann mit kritischen Situationen umgehen. Amateure machen Fehler, das ist ganz normal. Ein passendes Pferd kann eine Entscheidung treffen und sucht sich im Zweifel selbst die Distanz zum Sprung. Eine Voraussetzung dafür ist ein flexibler Galopp, Losgelassenheit und der Wille den Reiter mitzunehmen. Dabei sollten die Pferde nicht zu aufwändig im Ablauf sein, am Sprung loslassen und in der Balance bleiben. Zwischen den Hindernissen entscheidet dabei die Rittigkeit.
Ein Profipferd besticht durch die höchste Qualität am Sprung, die nötige Vorsicht und viel Vermögen. Alles andere ist ein netter Zusatz.
Ausbildungsphilosophie - Pferd:
Im Bereich der Springpferdeausbildung gibt es einen großen Vorteil. Der Weg ist viel freier, als in anderen Disziplinen. Die Skala der Ausbildung dient als Grundlage, ich lege viel Wert auf die dressurmäßige Ausbildung. Trotzdem gibt es Pferde, die anders sind. Pferde, die einen anderen Körperbau haben. Pferde, die anders geritten werden wollen. Auch diese müssen individuell und entsprechend ihres Typs gefördert werden. Man kann Pferde nicht in eine Form pressen. Funktioniert etwas nicht, sollte man sich immer die Frage stellen: Was kann ich tun, um es dem Pferd leichter zu machen? Wie kann ich die Stärken des Pferdes so fördern, das seine vermeintlichen Schwächen ausgeglichen werden können? Meiner Erfahrung nach muss man die Pferde immer Pferd sein lassen.
Ausbildungsphilosophie - Reiter:
Reitunterricht muss auch Spaß machen. Natürlich ist pferdekonformes Verhalten die Grundlage einer jeden Unterrichtseinheit, der Spaß soll dabei trotzdem nicht zu kurz kommen. Als guter Trainer darf man nicht immer an einem Konzept festhalten. Schüler sind ebenso individuell wie Pferde. Das muss berücksichtigt werden. Auch für eine Springstunde gibt es keine Schablone.
Springreiten ist außerdem keine Wissenschaft. Zunächst einmal müssen ein guter Grundgalopp und eine gute Linienführung die Basis bilden. Die Feinheiten werden schrittweise hinzugenommen. Damit fördert man das Vertrauen zwischen Pferd und Reiter und das Vertrauen des Reiters in seine Fähigkeiten.